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Therapie - Was kann sie und was kann sie nicht?

Aktualisiert: 22. Dez. 2019

Glauben Sie bitte nicht, Ihr Therapeut wäre ein Wunderwutzi. Er ist auch nicht klüger oder hat es leichter im Leben. Ihr Therapeut ist ... Mensch.


Wunderwutzis bei der Arbeit

Therapeuten sind erstaunlicherweise auch nicht klüger, schneller oder besser als andere. Sie haben ihr eigenes Leben und kämpfen mit eigenen Herausforderungen. Nicht selten sogar haben Therapeuten selbst einen eigenen schweren Rucksack zu tragen, der sie erst dazu bewogen hat, diesen Berufsweg einzuschlagen.



Therapeutische Ausbildung und Richtung

Eine therapeutische Ausbildung dauert Jahre. Ihr Therapeut hat einiges an Erfahrungen gesammelt und Methoden gelernt, um gemeinsam mit Ihnen zu neuen Sichtweisen zu gelangen.


In Österreich gibt es derzeit 23 gesetzlich anerkannte Therapierichtungen, die sich in ihrem Verständnis und Vorgehen voneinander unterscheiden. Die einen fragen nach dem Sinn, die anderen arbeiten Alltags-orientierter, die nächsten konzentrieren sich auf die Verhaltensebene - um nur einige Beispiele zu nennen. Welche Therapierichtung Ihnen am besten liegt, können Sie nur selbst herausfinden. Am wichtigsten ist jedoch, dass Sie mir Ihrem Therapeuten "können" - da wird die Therapierichtung fast zur Nebensache.


Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie haben gezeigt, dass der wichtigste Faktor in der Beziehung zwischen Klient und Therapeut liegt - unabhängig von der Therapierichtung.


Bin ich krank, weil ich zu einem Therapeut gehe?

Lassen Sie mich einen Gegenfrage stellen: Würden Sie sich das auch fragen, wenn Sie eine Tennisstunde nehmen, um Ihren Aufschlag zu verbessern?


Im Sport haben wir kein Problem damit, uns von Experten beraten und unterstützen zu lassen. Wenn es jedoch um die Psyche und psychische Gesundheit geht, lassen wir uns immer noch von Scham und Minderwertigkeitsgefühlen bremsen, bevor wir uns die Unterstützung suchen, die so hilfreich und entlastend sein kann...



Diagnosen

Gerade die systemische Therapierichtung (ja, ich bin systemische Psychotherapeutin!) legt nicht viel Wert auf Diagnosen, im Gegenteil. Diagnosen können einen betroffenen Menschen stigmatisieren und den weiteren Weg wenig hilfreich einschränken (weil in gewissem Maße vorzeichnen).

"Jetzt, wo ich den Stempel Depression quasi auf meiner Stirn trage..."


Gleichzeitig gilt jedoch auch zu beachten, dass Diagnosen auch entlastend für Menschen wirken können: Endlich gibt es eine Bezeichnung oder Beschreibung für Teile Ihres Verhaltens - und damit eine Erklärung!


Lassen Sie mich an dieser Stelle also fragen: Welchen Unterschied macht es für Sie, wenn Sie für das, worunter Sie leiden, einen Namen haben?


Und nicht zuletzt sind Diagnosen immer noch die Grundvoraussetzung für die Refundierung von Teilen Ihrer Therapiekosten durch die Krankenkasse. Erst mit Diagnose einer vorliegenden psychischen Störung haben Sie ein Anrecht auf den Kostenzuschuss von € 28,- pro Einzelsitzung (Dauer 60 Minuten), unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Honorars (Stand 19.02.2019).



Wie lange muss ich in Therapie gehen?

Das hängt davon ab, wie lange Sie in Therapie gehen wollen! (Die systemische Therapie jedenfalls versteht sich grundsätzlich eher als Kurzzeittherapie.)


Üblicherweise vereinbaren Sie mit Ihrem Therapeuten ein Therapieziel und besprechen, wie viele gemeinsame Einheiten Sie sich erst einmal vornehmen. Schön wäre es, wenn Sie zum Ende des therapeutischen Prozesses noch eine Abschlussstunde machen könnten, um den Prozess abzurunden und abzuschließen. (Das war eine Empfehlung.)


Aber sind wir mal ehrlich: Kann Sie irgendjemand zu irgendetwas zwingen? Wesentlich ist es doch, dass Sie das Gefühl haben, in Ihrem Prozess und mit Ihrem Anliegen weiterzukommen. Und wenn es einmal Durststrecken im therapeutischen Prozess gibt - auch wenn man Sie zu nichts zwingen kann, werfen Sie nicht gleich die Flinte ins Korn. Bleiben Sie dran und besprechen das mit Ihrem Therapeut.

Vielleicht ist ja gerade diese Durststrecke eine wichtige, bevor es wirklich "ans Eingemachte" geht.



Bin ich nach abgeschlossener Therapie komplett verändert?

Nein, Sie sind nach wie vor der Mensch, der Sie vorher waren. Aber Sie konnten - hoffentlich - neue Sichtweisen gewinnen, manche Dinge hinter sich lassen oder Ihren Frieden mit einem zuvor belastenden Thema machen. Sie haben im Idealfall sogar Ihre Handlungsalternativen erweitert und erleben noch mehr Sicherheit oder Wohlbefinden in Ihrem täglichen Leben.


Auf jeden Fall hatten Sie die Gelegenheit, sich selbst (noch) besser kennenzulernen und haben Ihre Sicht auf die Dinge erweitert.



Macht mein Therapeut die Arbeit für mich?

Nein, das sollten Sie von einem guten Therapeuten auch nicht erwarten. Ihr Therapeut arbeitet MIT Ihnen und stellt - als Profi - im richtigen Moment die richtigen Fragen.


Es kann durchaus vorkommen, dass Sie die Therapie als aufwühlend und anstrengend empfinden. Möglicherweise sind Sie anschließend auch erschöpft. Nun ja, Sichtweisen, die uns ein Leben lang begleitet haben, zu hinterfragen und zu verändern, ist auch anstrengend.


Der therapeutische Prozess kann sich also durchaus wie eine Bergwanderung anfühlen. Aber denken Sie nur an den Ausblick oder gar die unvergleichlichen Momente, wenn sich die Wolken klären...



Muss ich mich auf meine Therapie und die einzelnen Sitzungen vorbereiten?

Nein, das müssen Sie nicht. Sie bringen Ihr Anliegen in das Erstgespräch und schildern - so offen es Ihnen möglich ist -, was Sie belastet. Gemeinsam mit Ihrem Therapeuten erarbeiten Sie Ihr persönliches Therapieziel und besprechen die organisatorischen Rahmenbedingungen (Dauer der Sitzungen, Frequenz, etc.).


Während des Therapieverlaufs wird Ihr Therapeut immer wieder mit Ihnen gemeinsam überprüfen, wo Sie in Bezug auf Ihr Therapieziel stehen.



Jedenfalls gilt: Je mehr Sie bereit sind, sich in den Therapieprozess einzulassen, umso mehr können Sie für sich erwarten.

Denn Therapie ist schlussendlich Ihre Zeit, Ihr Raum, Ihre Möglichkeit für Mehr...

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